Heute möchte ich ein besonderes Buch vorstellen, das weniger im Bereich der Sprachen angesiedelt ist – auch wenn das Sprachenlernen eine wichtige Rolle darin spielt – sondern vielmehr Kultur, Weltanschauung, Religion und Philosophie thematisiert. Das Buch, das ich dir heute ans Herz legen möchte, heißt
„Briefe in die chinesische Vergangenheit“ und wurde von Herbert Rosendorfer verfasst.
Dieses Werk, das bereits 1983 veröffentlicht wurde, habe ich zufällig auf einem Bücherwühltisch entdeckt. Der faszinierende Titel hat mich sofort angesprochen, und ich beschloss, es mitzunehmen – zum Glück! Denn dieses Buch ist nicht nur großartig und kreativ geschrieben, sondern vermittelt beim Lesen zunehmend den Eindruck, aktueller denn je zu sein.
Es handelt von der Zeitreise eines chinesischen Würdenträgers, der aus dem 10. Jahrhundert in das moderne Europa versetzt wird. Auf humorvolle und zugleich tiefgründige Weise schildert Rosendorfer die Begegnungen und Missverständnisse, die sich aus den kulturellen Unterschieden ergeben. Die Erlebnisse des Protagonisten laden den Leser ein, unsere heutige Welt aus einer neuen Perspektive zu betrachten und über kulturelle Eigenheiten und zeitlose menschliche Themen nachzudenken.
Was mich besonders fasziniert hat, waren die übergroßen Unterschiede in den Umgangsformen des chinesischen Zeitreisenden und der heutigen Bewohner der westlichen Welt. Ich hatte immer mal wieder davon gelesen, dass es in China, zumindest früher, als Ausdruck größter Höflichkeit galt, sich selbst und alles, was dazugehört (Haus, Frau, Kinder, Beruf), herabzusetzen und das Gegenüber umso mehr zu erhöhen. Dazu gehören dann – je nach Stand – noch eine Reihe genau abgemessener, tiefer Verbeugungen, bis hin zum vollständigen Kotau. Gern gebe ich dir eine kleine Kostprobe aus dem Buch dazu. In dieser Szene beschreibt der Zeitreisende seine wiederkehrenden Begegnungen mit der Putzfrau:
„Ich bin auch immer sehr höflich zu ihr, wenn ich sie sehe, und ich sehe sie oft, denn sie steht in ihrem geblümten Kleid, auf einen Besen gestützt, der offenbar das Zeichen ihres Amtes ist, fast immer auf einem der Vorplätze der Zentraltreppe. ‚Oh hohe Blume des Hauses‘, grüße ich sie, ‚o wohlduftende Begonie mit dem Mond-Antlitz, der nichtswürdige Wurm Kao-tai grüßt dich ehrfürchtig und wünscht dir einen honiggetränkten Sommermorgen.‘ Oder so ähnlich, was man eben so sagt. Aber erst seit ich ihr einen blauen Papier-Geld-Brief mit einer Zwei-Drittel-Verbeugung überreicht habe, ist sie die Freundlichkeit selbst.“
Dieses Buch ist ein echter Geheimtipp für alle, die an einer intelligenten und unterhaltsamen Lektüre interessiert sind. Man wird angeregt, über vieles nachzudenken, das uns heute so scheinbar selbstverständlich umgibt.






